08. März 2024 PRESSEkonferenz Suchtprävention an Schulen droht wegzufallen!

Land muss Finanzierung übernehmen


Reutlingen, 07.03.2024 Mit dem geplanten Gesetz zur Cannabisregulierung soll jungen Erwachsenen ab 18 Jahren der Cannabiskonsum ermöglicht werden. Damit steigt der Bedarf an Aufklärungs- und Präventionsarbeit an Schulen. Aufgrund der unzureichenden Finanzierung der ambulanten Suchthilfe im Land drohen diese Angebote wegzufallen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg und der Baden-Württembergische Landesverband für Prävention und Rehabilitation (bwlv) mit seinen 23 Suchtberatungsstellen fordern vom Land Mittel für die Suchtprävention. Die Schulen werden diese Kosten nicht tragen können und auf das Angebot verzichten, mahnen die Verbände.
 

„Cannabiskonsum ist insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene mit einem hohen gesundheitlichen Risiko verbunden. Deshalb ist mit der geplanten Cannabisregulierung eine bessere Aufklärungs- und Präventionsarbeit an Schulen und auch für Eltern dringend erforderlich. Das ist nur mit einer deutlichen Aufstockung der Mittel für die ambulante Suchthilfe möglich“, sagt Dorothea Aschke, Referentin für Suchthilfe beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg. „Während die Kommunen ihren Beitrag über die Jahre hinweg überwiegend angepasst haben, ist der Landeszuschuss seit 1999 nicht erhöht worden. Das hat zu einem langjährig steigenden strukturellen Defizit geführt“, so Aschke. Die Landesregierung, müsse jetzt ihrer Verantwortung gerecht werden und eine flächendeckende bedarfsgerechte Versorgung und Prävention vor Ort sicherstellen. Suchterkrankungen verursachten nicht nur für die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen enormes Leid, sondern enorme gesellschaftliche Folgekosten.
 
„Die Finanzierung unserer Suchtberatungsstellen ist seit Jahren prekär. Allein in Reutlingen mussten wir in den letzten drei Jahren ein Defizit von über 120.000.- Euro verkraften. Seit 2020 stiegen die Personalkosten um 15 Prozent. In 2024 kommt jetzt noch die Bezahlung des Inflationsausgleiches in Höhe von 3000 Euro je Vollzeitstelle hinzu. Daraus ergibt sich für die Beratungsstellen eine wirtschaftlich nicht mehr tragbare Situation. Wir mussten die Reißlinie ziehen und Stellen in Reutlingen abbauen“, ergänzt Oliver Kaiser, Geschäftsführer des bwlv. Die Reduzierung von Stellen und somit Angeboten komme zur absoluten Unzeit. Neben dem hohen Bedarf an Suchtberatung, kämen jetzt aufgrund des geplanten Cannabisgesetzes sehr viele Anfragen nach Informations- und Präventionsveranstaltungen hinzu. „Die Unsicherheit an den Schulen und in der Elternschaft ist sehr groß. Zurecht werden Präventionsangebote und Angebote zur Frühintervention eingefordert. Eigentlich müssten wir jetzt weitere Angebote schaffen, die aber finanziert werden müssen“, so Kaiser
 
„Prävention ist jetzt noch dringender notwendig, doch durch die Personalreduzierung nicht mehr leistbar“, erklärt Jeanette Merges, Leiterin der Reutlinger Jugend- und Drogenberatung des bwlv. „Unsere Präventionsangebote werden jetzt kostenpflichtig. Dies führt dazu, dass sich manche Schulen unsere Angebote nicht mehr leisten können oder anstatt eines dreistündigen Workshops jetzt nur eine anderthalbstündige Veranstaltung gebucht werden kann. Prävention ist immer billiger, wie später die Folgen zu therapieren“, so Merges.
 
„Schüler*innen halten sich bei konkretem Kontakt mit der Drogenszene im Gespräch gegenüber Lehrkräften und Polizei zurück. Externe Beratungsstellen können auf Basis der eigenen Erfahrungen wesentlich glaubwürdiger auf die Gefahren des Drogenkonsums hinweisen. Gleichzeitig entlasten sie die Schulsozialarbeit vor Ort, die eine Vielzahl von Themen betreuen muss. Kostenpflichtige Beratung bedeutet faktische Streichung an vielen Schulen, da keine Finanzmittel zur Verfügung stehen“, betont Thomas Kuchelmeister, Vorsitzender des Gesamtelternbeirats Reutlinger Schulen.